Führerausweisentzug im internationalen Kontext
Da grenzüberschreitende Sachverhalte auch im Bereich des Strassenverkehrsrechts zum Alltag geworden sind, sollen die internationalen Aspekte eines Führerausweisentzuges in kurzer Form dargelegt werden.
1. Führerausweisentzug in der Schweiz - internationale Wirkung
Der Führerausweis wird von dem Staat ausgestellt, in dem der Lenker seinen Wohnsitz hat. Gleiches gilt auch für den Entzug des Führerausweises: Das schweizerische Strassenverkehrsamt als ausstellende Behörde kann nur schweizerische Führerausweise entziehen.
Eine direkte Wirkung hat der schweizerische Entzug nur auf das eigene Staatsgebiet. Aufgrund des Entzugs des schweizerischen Führerausweises ist der Betroffene aber nicht mehr im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnis entfällt deshalb faktisch auch für das Ausland. Das heisst, bei einer Fahrt im Ausland trotz Ausweisentzug droht eine Bestrafung im entsprechenden Land wegen Fahrens ohne gültige Fahrerlaubnis. Dieser Tatbestand wird auch im Ausland in einem eigentlichen Strafverfahren behandelt. Es ist also nicht nur eine ausländische Administrativbehörde, sondern auch die ausländische Strafverfolgungsbehörde involviert. Schwerwiegender als eine drohende Strafe im Ausland kann aber sein, dass eine Meldung der ausländischen Behörde an das hiesige Strassenverkehrsamt droht, was das schweizerische Strassenverkehrsamt zu einem erneuten Entzug bzw. zu einer empfindlichen Verlängerung eines bestehenden Entzuges bewegen kann.
Wird der Führerausweis von der schweizerischen Behörde entzogen, entfällt für den Betroffenen damit also faktisch auch die Fahrerlaubnis im Ausland. Von Fahrten im Ausland ist demnach abzuraten.
2. Führerausweisentzug in der Schweiz nach Auslandtat
Wie verhält es sich bei im Ausland begangenen Verkehrsregelverletzungen, die im Ausland zu einem Fahrverbot führen?
Aufgrund des Territorialitätsprinzips fehlt es einer ausländische Behörde an der Kompetenz, einen schweizerischen Führerausweis zu entziehen oder ein Fahrverbot für die Schweiz zu erlassen. Bei einer vorläufigen Abnahme vor Ort kann der Führerausweis beim Verlassen des Landes zurückgefordert werden (vgl. Art. 42 Ziff. 1 lit. a Wiener Übereinkommen über den Strassenverkehr vom 8.11.1968).
Ein im Ausland verfügtes Fahrverbot gilt also nicht auf Schweizer Strassen. Aber: Nach Art. 16cbis des schweizerischen Strassenverkehrsgesetzes (SVG) kann das schweizerische Strassenverkehrsamt nach einer im Ausland begangenen Widerhandlung eine zusätzliche Administrativmassnahme (Führerausweisentzug) aussprechen. Nach einer Widerhandlung im Ausland wird der Führerausweis in der Schweiz zwingend entzogen, wenn im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde und die Widerhandlung nach den Art. 16b und 16c des SVG als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist. Dies gilt sowohl für Warnungs- als auch für Sicherungsentzüge.
Der in der Schweiz ausgesprochene zusätzliche Führerausweisentzug besteht neben dem ausländischen Entscheid. Diese Belastung mit zwei verwaltungsrechtlichen Sanktionen für dasselbe Verhalten ist möglich, weil das im Strafrecht geltende Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Administrativmassnahmenverfahren nicht gilt: Der Führerausweisentzug habe zwar einen strafähnlichen Charakter, der präventive und erzieherische Zweck der Massnahme stehe aber im Vordergrund. Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots immerhin angemessen zu berücksichtigen. Die schweizerische Mindestentzugsdauer darf zudem unterschritten werden (vgl. BGE 141 II 256).
Eine mittelschwere bis schwere Verkehrsregelverletzung im Ausland kann also auch in der Schweiz zu einer Administrativmassnahme führen, sofern im Ausland ein Fahrverbot erteilt wurde und die ausländische Behörde die zuständige schweizerische Behörde entsprechend informiert.
3. Aberkennung eines ausländischen Ausweises durch die Schweiz
Ein ausländischer Führerausweis darf aufgrund des Territorialitätsprinzips durch die schweizerischen Behörden nicht entzogen werden. Ein solcher kann aber gemäss Art. 45 Abs. 1 Satz 1 Verkehrszulassungsverordnung (VZV) nach den gleichen Bestimmungen aberkannt werden, die für den Entzug des schweizerischen Führerausweises gelten. Diese Aberkennung des ausländischen Führerausweises bedeutet für den ausländischen Ausweisinhaber ein Fahrverbot auf schweizerischen Strassen. Besitzt eine Person sowohl einen schweizerischen als auch einen ausländischen Führerausweis, führt der Entzug des schweizerischen Ausweises immer auch zur Aberkennung des ausländischen Ausweises (Art. 45 Abs. 2 VZV). Da die Schweiz nicht die Kompetenz hat, einen ausländischen Führerausweis zu entziehen, gilt auch hier, dass ein sofort eingezogener Ausweis nach Verlassen der Schweiz auf Verlangen an den Inhaber zurückgegeben werden muss (Art. 45 Abs. 4 VZV).
Die Aberkennung eines ausländischen Ausweises ist schlussendlich auch möglich, wenn ein ausländischer Führerausweis nach Ablauf eines Jahres nach Wohnsitznahme in der Schweiz nicht in einen schweizerischen Führerausweis umgetauscht wurde oder, wenn in der Schweiz ein ausländischer Führerausweis verwendet wird, der unter Umgehung der schweizerischen Zuständigkeit in einem anderen Land erworben wurde (Art. 42 Abs. 4 VZV).
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Mauro Gisi