Gemeinsame elterliche Sorge – Übergangsrecht

Was ge­mäss Bot­schaft zur Än­de­rung des Schwei­ze­ri­schen Zi­vil­ge­setz­bu­ches heute be­reits in 40% der Ehe­schei­dun­gen ge­lebt wird, wurde nach mehr­jäh­ri­ger po­li­ti­scher Dis­kus­si­on ab 1. Juli 2014 zum Re­gel­fall er­ho­ben: Ver­hei­ra­te­te, ge­schie­de­ne oder le­di­ge El­tern sol­len sich zu­künf­tig die el­ter­li­che Sorge tei­len.

Auch wenn sich viele freu­en und in die­ser Re­ge­lung die Lö­sung ver­schie­de­ner Pro­ble­me sehen, wer­den sich in strit­ti­gen Fäl­len auch wei­ter­hin Schwie­rig­kei­ten er­ge­ben. Statt unter dem Titel des ge­mein­sa­men Sor­ge­rechts wird in Zu­kunft ein all­fäl­li­ger Streit wohl unter dem Titel der Obhut (häus­li­che Ge­mein­schaft bzw. Wohn­ort der Kin­der), der Be­stim­mung des Auf­ent­halts­or­tes oder des Be­suchs­rechts aus­ge­tra­gen wer­den. Es wird also auch in Zu­kunft wei­ter­hin Kon­stel­la­ti­o­nen geben, für die das zu­stän­di­ge Ge­richt das al­lei­ni­ge Sor­ge­recht als dem Kinds­wohl ent­spre­chen­de Va­ri­a­n­te an­se­hen wird. Wie sich die da­zu­ge­hö­ri­ge Pra­xis ent­wi­ckeln wird, bleibt ab­zu­war­ten.

El­tern, die im Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens der neuen Be­stim­mun­gen die ge­mein­sa­me el­ter­li­che Sorge noch nicht in­ne­ha­ben (weil sie bei Ge­burt des Kin­des nicht ver­hei­ra­tet waren oder in der Schei­dung nur einem El­tern­teil die el­ter­li­che Sorge zu­ge­spro­chen wor­den ist), kön­nen die ge­mein­sa­me el­ter­li­che Sorge nach­träg­lich be­an­tra­gen.

Über­g­angs­recht­lich gilt hier­zu Fol­gen­des:

a) Beide El­tern­tei­le sind sich einig

Sind beide El­tern­tei­le (ge­schie­den oder nie ver­hei­ra­tet) ein­ver­stan­den mit dem Wech­sel von der al­lei­ni­gen zur ge­mein­sa­men el­ter­li­chen Sorge für ihre vor dem 1. Juli 2014 ge­bo­re­nen Kin­der, kön­nen sie je­der­zeit und ohne zeit­li­che Be­schrän­kung eine ent­spre­chen­de Er­klä­rung bei der zu­stän­di­gen Kin­des­schutz­be­hör­de ein­rei­chen. Nach der Ein­rei­chung die­ses Ge­suchs wird die Kin­des­schutz­be­hör­de über­prü­fen, ob die ge­mein­sa­me el­ter­li­che Sorge mit dem Kin­des­wohl ver­ein­bar ist. Wenn dies der Fall ist, wird den Ge­such­stel­lern die ge­mein­sa­me el­ter­li­che Sorge zu­ge­spro­chen.

b) Die El­tern sind sich nicht einig

Sind sich die El­tern nicht einig, kann der El­tern­teil ohne el­ter­li­che Sorge bin­nen Jah­res­frist ab In­kraft­tre­ten des neuen Rechts beim zu­stän­di­gen Ge­richt die ge­mein­sa­me el­ter­li­che Sorge be­an­tra­gen (Art. 12 Abs. 4 SchlT ZGB, also bis spä­tes­tens 30. Juni 2015). Ach­tung: Be­reits ge­schie­de­ne El­tern kön­nen dies je­doch nur, wenn die Schei­dung nicht län­ger als fünf Jahre zu­rück­liegt (Art. 12 Abs. 5 SchlT ZGB). Hier wer­den die ge­schie­de­nen El­tern ge­gen­über le­di­gen El­tern wohl un­ge­wollt un­gleich be­han­delt.

Für Schei­dungs­ver­fah­ren, die be­reits vor dem 1. Juli 2014 hän­gig ge­macht wor­den sind, gel­ten au­to­ma­tisch die neuen Re­ge­lun­gen.

Das an­ge­ru­fe­ne Ge­richt wird ge­ra­de bei Un­ei­nig­keit der El­tern wei­ter­hin sorg­fäl­tig  prü­fen müs­sen, ob die durch einen El­tern­teil be­an­trag­te ge­mein­sa­me el­ter­li­che Sorge dem Kin­des­wohl ent­spricht. Bei hoch­strit­ti­gen Kon­stel­la­ti­o­nen wer­den die Ge­rich­te wohl auch unter neuem Recht dazu ten­die­ren, die el­ter­li­che Sorge nur bei einem El­tern­teil zu be­las­sen.

Soll­ten Sie Fra­gen zur neuen Sor­ge­rechts­re­ge­lung haben oder die ge­mein­sa­me el­ter­li­che Sorge nach­träg­lich be­an­tra­gen wol­len, ste­hen wir Ihnen gerne be­ra­tend und pro­zes­sie­rend zur Ver­fü­gung.

Mauro Gisi