Grenzüberschreitende Liefer- und Vertretungsverträge bergen Risiken
Fussangeln bei grenzüberschreitenden Liefer- und Vertretungsverträgen
Ein interessanter Fall aus unserer Praxis berichtet von Schwierigkeiten mit grenzüberschreitenden Liefer- und Vertretungsverträgen: Im Agenturvertrag zwischen einem Lampenhersteller aus dem europäischen Ausland und einem Schweizer Agenten lauern Fallen in Form von Konventionalstrafe und Konkurrenzverbot bei der Vertragskündigung. Mit unserer grenzüberschreitenden Erfahrung können wir Ihnen in derartigen Fällen weiterhelfen.
1. Sachverhalt
Ein Lichtdesigner und -planer mit eigenem Geschäft hat vor knapp fünf Jahren mit einem Lampenhersteller aus dem europäischen Ausland einen auf fünf Jahre befristeten Agenturvertrag abgeschlossen, der sich automatisch um je ein weiteres Jahr verlängert, wenn er nicht mindestens vier Wochen vor Vertragsablauf gekündigt wird.
Der Vertrag läuft noch fünf Wochen. Im Laufe der Vertragsdauer hat der Lichtdesigner ein ansehnliches Warenlager an Lampen seines ausländischen Auftraggebers angeschafft; dies obwohl zwischen den Parteien schriftlich ein reiner Agenturvertrag (der die blosse Vermittlung von Geschäften vorsieht bzw. regelt) abgeschlossen wurde. Im Agenturvertrag ist somit auch keine Rücknahmepflicht bezüglich dieses Warenlagers nach Auflösung des Agenturvertrages festgelegt. Der Lichtdesigner hat in den letzten knapp fünf Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um den Kundenkreis wesentlich zu erweitern und die ausländischen Produkte erfolgreich in der Schweiz zu vermarkten – was schliesslich auch gelang.
Der Auftraggeber hat sich für den Fall einer Vertragsauflösung ein Konkurrenzverbot zu Lasten des Agenten (Lichtdesigners) versprechen lassen, wonach dieser sich verpflichtet, während einer Dauer von fünf Jahren nach Vertragsauflösung der während der Vertragsdauer angeworbenen Kundschaft keine anderen Lampen («Konkurrenzprodukte») zu verkaufen. Für jede einzelne Verletzung dieser Kundenschutzbestimmung hat sich der Auftraggeber eine Konventionalstrafe in Höhe von CHF 10'000 – eine angesichts des konkreten Rechtsschutzinteresses recht hohe Vertragsstrafe – versprechen lassen.
Für den Streitfall zwischen den Parteien wurden der schweizerische Gerichtsstand des Agenten und die Anwendbarkeit des schweizerischen Rechts vereinbart.
2. Fragen
Eine Woche vor Ablauf der Frist für die eventuelle Kündigung des fünfjährigen Agenturvertrages stellen sich dem Lichtdesigner (Agent) die folgenden Fragen:
2.1
Soll eine vertragliche Rücknahmeklausel (betreffend das Warenlager), gültig per Vertragsbeendigung, noch vor Ablauf der Kündigungsfrist durchgesetzt werden mit der Androhung, dass bei Nichtaufnahme einer solchen Klausel der Vertrag gekündigt wird?
2.2
Hat der Agent bei einer allfälligen Auflösung des Agenturvertrages Ansprüche («Entschädigung für die Kundschaft») gegenüber dem ausländischen Auftraggeber?
2.3
Verliert der Agent eventuell diese Ansprüche, wenn die Kündigung durch ihn ausgesprochen wird?
2.4
Kann der ausländische Auftraggeber im Fall einer Vertragsauflösung das rigoros formulierte Konkurrenzverbot («Kundenschutz») – z. B. durch ein superprovisorisches gerichtliches Verkaufsverbot – durchsetzen? Wie steht es diesbezüglich mit der exorbitant hohen Konventionalstrafe?
2.5
Ist das zwischen den Parteien vereinbarte Konkurrenzverbot überhaupt gültig? Kann es allenfalls gemildert werden, z. B. durch Reduktion der Fünfjahresfrist bzw. durch Herabsetzung der Konventionalstrafe?
2.6
Ist gemäss Gerichtsstandsklausel der schweizerische Richter nach der durch den Agenten ausgesprochenen Vertragskündigung überhaupt zuständig, über eine Klage des Agenten zu entscheiden und dessen Fragen zu beantworten? (Entschädigung für die geworbene Kundschaft, Aufhebung der Kundenschutzbestimmung)
2.7
Kann ein allenfalls zugunsten des Agenten lautendes schweizerisches Urteil (hinsichtlich der Ansprüche des Agenten für die geworbene Kundschaft) im Ausland gegen den Auftraggeber durchgesetzt bzw. vollstreckt werden?
Wir sind es gewohnt und in der Lage, Sie in derartigen, grenzüberschreitenden Fällen – insbesondere unter Einbezug des EU-Rechts – effizient, praxisorientiert und zuverlässig zu beraten.
Für Details oder Fragen zum Artikel wenden Sie sich bitte an:
Christoph Blöchlinger